Die Presse über uns

Chef Werner Loesche (l.) findet, dass andere Azubi-Anwärter, auch Deutsche, bei seinem Georgi einpacken können: Er arbeitet vorbildlich. An der VHS hat er außerdem ein 600-Stunden-Mammutprogramm absolviert, um Deutsch zu lernen. Foto: Eickershoff

Duisburg. Bulgare, Arbeitstier, Integrierter: Wenn einer alle Vorurteile widerlegt, ist es Kfz-Azubi Georgi Mateev. Dass es auch solche Geschichten in Duisburg gibt, verdankt er seinem Chef. Er ist hier das wahre Unikat.

Wenn Werner Loesche die Kaffeetasse auf seinem Bauch abstellt, kriegt man zu hören, wie Integration funktioniert. Wobei Loesche dieses Wort gar nicht benutzen würde. Bei ihm klingt das so: „Den Jungs sag’ ich’s immer wieder: ‘Knall mir nicht’ zwei Wörter annen Kopp, rede’ ganze Sätze. Schrauben super, Sprache Null.“ Die Jungs, das sind vier Mitarbeiter: ein Vietnamese, ein Deutscher mit Lese-Rechtschreibschwäche, ein Russe und Georgi, 27 Jahre alt, 2007 aus dem bulgarischen Varna ins Ruhrgebiet gekommen.

Als lebendes Gegenbeispiel widerlegt Georgi so einige Vorurteile gegenüber Neuzuwanderern. „Ich bin nach Deutschland gekommen, um Geld zu verdienen“, sagt er, „mein Lebenstraum ist es, ein Haus zu bauen und eine Familie zu gründen.“ 600 Stunden Deutsch hat er an der VHS gepaukt, dann schickte ein Hochfelder Bildungswerk den Bulgaren in die Kfz-Werkstatt nach Hüttenheim zum Praktikum. Da hatte der Chef eigentlich schon die Schnauze voll von Praktikanten. Von deutschen, wohlgemerkt: „Einer hat draußen in der Sonne gepennt, der andere hat die Mittagspause auf zwei Stunden ausgedehnt, um SMS zu schreiben.“ Georgi aber trat bei Wind und Wetter an, pünktlich, fleißig, wissbegierig, nett.

Stundenlang zu Lösungen durchgefragt

Nach dem Praktikum bat Loesche ihm einen Mechatroniker-Ausbildungsplatz an. Und bekam einen Einblick, woran es bei der Integration hapert. „Wenn die Jungs mal Fristen verpennen, eine Prüfung vergeigen, dann lassen viele Einrichtungen sie einfach gegen die Wand laufen“, sagt Loesche, „alles schon erlebt. Das ist Scheiße.“ Also klemmt er sich in solchen Fällen selbst ans Telefon und fragt sich stundenlang zu Lösungen durch. Ein Bulgare in Deutschland wäre damit so überfordert wie ein Deutscher in Bulgarien.

Jetzt darf man nur nicht denken, dass er beim Einsatz an der offenen Motorhaube genauso langmütig mit ihrem anfangs holprigen Deutsch war. Gerade jetzt muss er nebenan mal kurz Ausbildung betreiben: „Du, Kollege, schmeiß’ nicht alles durcheinander“, mault er. Um dem Azubi aus Vietnam anschließend doch nett zu erklären, was er ihm vorher schon mal erklärt hat. Er seufzt. Theatralisch. Denn eigentlich läuft alles rund mit den Jungs. Wenn er „Zündlichtblitzpistole“ ruft, ein Wordmonstrum der deutschen Sprachen, wissen alle, was gemeint ist.

Die Kunden finden Loesches internationale Werkstatt ebenfalls gut, sie staunen und schätzen, dass Georgi so höflich ist. „Hier sind alle nett, bis auf den Chef“, ergänzt der Chef. Sein bulgarischer Lehrling jedenfalls hält ihm die Treue. „Ich will in Deutschland bleiben“, sagt Georgi, „weil man hier eine Perspektive hat. Man muss aber zeigen, dass man etwas geben will, um auch etwas zu bekommen.“

Dass viele bei Bulgaren gleich an arbeitslose Zuwanderer, meist Roma, denken, beleidigt ihn ganz persönlich: „Ich wünschte, die Deutschen würden endlich die Unterschiede sehen.“

Jasmin Fischer